Donnerstag, Dezember 14, 2006

ein modernes märchen

Es war einmal eine Telefongesellschaft, nennen wir sie mal »Sprechdraht«, die hatte einen übermotivierten Callcenter-Angestellten, der den armen Angerufenen im ganzen Land unter dem Vorwand, lediglich Infomaterial zuzuschicken, Handyverträge unterzujubeln versuchte.

Zur gleichen Zeit, an einem weit entfernten Ort, lebte eine gutmütige und naive Pimzessin, die aus lauter Höflichkeit und guter Kinderstube das enervierende Gespräch mit eben jenem Angestellten nur durch ein »In Gottes Namen, dann schicken Sie mir halt die Broschüre zu!« einigermaßen damenhaft zu beenden wusste.

Kurze Zeit später bekam die (wunderschöne und liebreizende - immerhin ist das ein Märchen!) Pimzessin auch tatsächlich Post. Einmal eine Rechnung über rund 26 Euro und einmal ein Paket, das ein Handy enthielt und nur gegen Vorlage des Personalausweises und Unterschrift auf dem Handyvertrag ausgeliefert werden durfte.

Da die Pimzessin zwar gutmütig und naiv, aber nicht ganz doof und des Lesens mächtig war, verweigerte sie die Annahme und regte sich tierisch über die finsteren Machenschaften der Sprechdraht-Gesellschaft auf (natürlich im Rahmen dessen, was einer Pimzessin geziemt). Insbesondere, als sie feststellen musste, dass aus der königlichen Schatzkammer bereits 26 Euro fehlten.

Noch ehe sie den Schatzmeister, den Hofnarr oder sonst einen armen Unschuldigen köpfen lassen konnte, meldete sich eine weitere Angestellte von Sprechdraht bei ihr. Diesmal direkt aus der Zentrale, ohne Callcenter-Druck und mit einem untypisch-erfreulichen Maß an Verständnis.
Nach kurzer Schilderung der Sachlage empörten sich die Dame und die Pimzessin gemeinsam über die Unerhörtheiten des Callcentermenschen und vereinbarten eine friedliche Annullierung des unberechtigterweise gegebenen Auftrags.

Das Ansehen der Firma Sprechdraht war damit bei der Pimzessin und all jenen, denen sie davon berichtete, wiederhergestellt. Kurze Zeit später trudelte die schriftliche Bestätigung der Annullierung, sowie das Schuldzugeständnis der Firma ein. Eine Rücküberweisung jedoch nicht.

Da die Pimzessin leider dem verarmten Adel angehört, überantwortete sie ihrem Schatzmeister umgehend die Rückbuchung der 26 Euro.
An dieser Stelle genoss die Pimzessin ein vermeintliches Happy End mit einem Keks und einer Tasse Cappuccino.

Was sie dabei nicht wusste war, dass Sprechdraht nahezu zeitgleich doch noch eine Rücküberweisung veranlasst hatte. Die königliche Schatzkammer besaß also nun 26 Euro mehr als vor der ganzen Geschichte. Der Firma Sprechdraht fiel umgehend auf, dass sie jetzt gleich zwei mal den selben Betrag »verloren« hatte, und zögerte nicht, der ahnungslosen Pimzessin einen gemeinen Drohbrief zu schicken. Selbige fiel natürlich aus allen Wolken, als sie eine Rechnung ohne Leistungen, dafür aber mit vielen Konsequenzandrohungen (von Inkassofirmen bis hin zu einschlägigen Eintragungen bei Schufa&Co.) lesen musste.

Wie an Königshäusern üblich, legte die Pimzessin viel Wert auf Höflichkeit und gute Umgangsformen, weshalb sie diese brüsken Worte freilich nicht auf sich sitzen lassen wollte, und ihrerseits ein Schreiben zu Sprechdraht schickte, in dem sie um die Erklärung der Forderungen bat, von denen sie natürlich wusste (so dumm war sie ja, wie gesagt, nicht), dass sie jeglicher rechtlichen Grundlage entbehrten.

Ein schlechter Mensch hätte sich an dieser Stelle vermutlich bereits über geschenkte 26 Euro gefreut. Die Pimzessin hingegen wartete auf ein weiteres, freundlicher formuliertes Schreiben von Sprechdraht, in dem auf das Missgeschick hingewiesen und freundlichst um eine Rücküberweisung gebeten würde. Gutmütig und ehrenhaft, wie sie ist, und mit der vollen Kenntnis der Sachlage, hätte sie dieser Bitte nämlich selbstverständlich nachgegeben. Nur bitte nicht in diesem Ton.

Ob Sprechdraht letzten Endes dachte, die Pimzessin sei eine gewiefte Person, die sich an der Firma völlig legal bereichern wollte, oder ob sie einsahen, dass die unnötige Härte der Forderung völlig unangemessen und kontraproduktiv war, ein freundlicheres Schreiben aber einfach nicht über die Tastatur gehen wollte, wird man vermutlich nie erfahren. Jedenfalls resultierten die Überlegungen der Firma schlussendlich in einer freundlichen Gutschrift besagter 26 Euro, wodurch der offene Betrag ausgeglichen war und »keine weiteren Forderungen mehr« gestellt werden würden.

Und die Moral von der Geschicht?
Manchmal wäre pure Höflichkeit selbst in unserer Ellbogengesellschaft lukrativer.

P.S.: Die Pimzessin kaufte sich von den unerwartet gewonnenen 26 Euro eine kleine Insel im Südpazifik, eine Yacht und neue Schuhe, verliebte sich in den Skipper, dem sie umgehend vom Kapitän angetraut wurde, und lebt seither glücklich und zufrieden im finanziellen Überfluss weit, weeeit von Deutschland und Sprechdraht entfernt.
~ENDE~

P.P.S.: Video-der-Stunde-Archiv-technisch:
The Puppini Sisters
Boogie Woogie Bugle Boy (from Company B)




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