Sonntag, Oktober 22, 2006

sprechreiz

Tolles Wort, oder?
So heisst ein Titel auf der »5 Euro in die Wortspielkasse« vom Ernst. Und außerdem trifft es so ziemlich genau das Gefühl, das ich nach dem Bergischen Kurzfilmfestival hatte.

Aber der Reihe nach mal ein kleiner (naja, gut, ein doch recht langer) Bericht:
Nach mehreren Stunden Fahrt mit ein paar Pausen (»Da! Ein M!«) landen wir zu fünft also in unserer Absteige, stellen entsetzt fest, dass wir doch Handtücher hätten mitbringen sollen und verbringen ein paar Minuten mit Frischmachen, Betten-Aussuchen und Taxi-Bestellen.

Dann geht's auf ins Rex Theater, wo wir uns erstmal Mut antrinken - mit Kölsch *g*.
Ein wenig aufgeregt verfolgen wir die tolle Einführungs-Videopräsentation (Werbung) und die Eröffnungsmoderation. Und dann kommt auch schon der erste Film »Moneymaker«.

Zwei Jungs glotzen zuhause eine Gewinnspielshow à la 9live, einer ruft ständig an, der andere motzt gegen diese Abzocke. Nach einigem Hin und Her kommen sie durch, und der Motzer beschimpft die Moderatorin. Dabei fällt zufällig das Lösungswort...
Ja, schöne Idee, aber die Umsetzung lässt mich klammheimlich einen Konkurrenten von der Liste streichen.

Film Nummer 2: »Die Null«
Ich fand den Titel unglaublich treffend. Eine rührselige, sozialkritische Geschichte über einen Teenager, der nicht Kopfrechnen kann und dessen Vater ihn deswegen niedermacht.
Was der Film (unter anderem durch nie aufgelöste Nebenhandlungen) ewig in die Länge zieht, ist eigentlich die klassische »Boy meets Girl«-Sache. Kaum hat der Kleine 'ne Ische an Land gezogen, kann er plötzlich rechnen.
Schlechte Dialoge, unglaubliche Längen, langweilige Einstellungen - kurzum, außer der schauspielerischen Leistung von Ische und Papa gab's da nichts wirklich Gutes.
Die Konkurrentenliste schrumpft weiter.

Film Nummer 3: »Exit«
Ein typischer Drogenfilm - absolut geeignet für verrückte Einstellungen, Fahrten, Licht- und Soundeffekte. Ein rundum ästhetischer Film mit gewaltigen Bildern, die technisch absolut überzeugt haben, und der sein vorgegebenes Tempo auch eingehalten hat.
Da dachte ich zum ersten Mal »Hoppla, der könnte gewinnen«. Auch, wenn er inhaltlich nicht viel hergab.

Film Nummer 4 also endlich »Cowboys«
Für diejenigen, die ihn nicht kennen:
Ein einsamer Cowboy schleppt sich halbverdurstet durch die Wüste, erreicht mit letzter Kraft eine Kaffeemaschine und investiert seine letzten 50cent in eine Kanne Lebenselixier. Er wandert weiter und die Natur verlangt ihr Recht - das Pinkeln gegen die Dünen ist jedoch verboten. Also marschiert unser Cowboy weiter bis zum nahegelegenen Dixi-Klo, doch der Klowboy dort verlangt auch wieder Geld, das der Cowboy ja nicht mehr hat. So kommt's dann zum Showdown.

Der (zugegeben vielleicht nicht sehr populäre) Humor hat sich halbwegs ins ca. 30 Leute umfassende Publikum transportiert und wir gingen guter Dinge in die Pause - auf 'ne weitere Runde Kölsch und angeregte Filmdiskussionen.
Unsere Einschätzung war: »Die Null gewinnt vermutlich den Publikumspreis, weil so viele ältere Damen da sind, die auf so niedliche Teenager-Stories stehen - ansonsten sind unsere Chancen ja total gut.«

Die Pause war um und die Jury betrat die Bühne, um die Sieger zu verkünden.
Die zwei Jury-Damen hampelten lustig herum und benahmen sich wie Teenager, denen man grade ein Pony versprochen hat - aber ich dachte mir »Das sind ja Schauspieler. Die müssen einen an der Klatsche haben.«

Resultat: Gewinner des Jurypreises ist »Die Null«.
Mein Entsetzen stieg mit jedem Wort der Begründung, das die Damen der Jury heraussprudelten.
Das abgelutschte Thema wurde da zum »sozialkritischen Ansatz aus dem wahren Leben«, die langweiligen Einstellungen und schlechten Dialoge zu einer »greifbaren Echtheit« und die unnötige Aufplusterung der Geschichte mit wirren, nie aufgelösten Handlungssträngen zu »einem abgeschlossenen Spannungsbogen«.

Regelrecht weh getan hat es allerdings, als dann noch aus einem kurzen Film ein Paradebeispiel für Kurzfilm wurde. Immerhin seien wahre Kurzfilme ja eigentlich Kinofilme, deren Story halt nicht mehr hergibt, als so rund 20 Minuten.

Ich glaube, an dem Punkt hat's nicht nur mir die Zehennägel aufgerollt. Aber es kam noch besser!
Der Publikumspreis ging an »Moneymaker« und eine der Damen stellte sich tatsächlich hin und unterstellte (auf der Bühne, ins Mikrofon, als Jurymitglied!) den Machern, sie hätten die Stimmzettel manipuliert.

Lachen? Weinen? Ich war echt unschlüssig. Wie unprofessionell und grottenschlecht ist das denn bitte? Die Jury hat beim Publikumspreis nunmal nichts zu sagen, schon gar keine wüsten Behauptungen aufzustellen. Ich habe aber herzlich gelacht, als ein anderes Jurymitglied später herausplauderte, dass die Dame auf das Thema des Films sensibel reagiert, weil sie wohl selbst schon einige Teuros in solche Gewinnhotlines investiert hat...

Naja, die Preisverleihung ist vorbei, wir lassen noch eine »Deutschlandpremiere« eines (vor allem vom Tonschnitt) schlimmen Films über uns ergehen und machen uns auf zur After-Show-Party. Dass wir nicht gewonnen haben ist zwar schade aber nicht schlimm. Wir hoffen, auf der Party wenigstens mit einigen Leuten reden und Kontakte knüpfen zu können.

Zu schade, dass die Party an drei reservierten Tischen im Lola stattfindet, wovon einer komplett von Jury und Organisatoren belagert wird, die sich auch nur auf engagierte Anfrage hin von ihren Kollegen trennen.

Uli »Producerin« wird nicht müde, auf die Leute zuzugehen und sie an unseren Tisch zu zerren, und so landet ein Jurymitglied an unserem Tisch (und geeeht und geeeht nicht wieder).
Sein Sprechen provoziert bei mir Brechen. Der Mann macht uns (ungewollt) klar, dass das gesamte Spektakel tatsächlich unprofessionell ist, und diese Beurteilung nicht nur ein Schutzmechanismus unserer zarten Psychen ist, um das Verlieren besser zu verkraften.

Das einzige, was (zumindest in dieser Veranstaltung) den Namen »Kurzfilmfestival« rechtfertigt, sind die insgesamt 100.000,- Euro an Preisgeldern, die eine Bank stiftet.
(Schon tauchten wilde Pläne für ein Kitaso-Filmfestival auf, da die Filmabende hier professioneller, besser besucht, fundierter - rundum besser sind und man nur einen Sponsoren auftreiben müsste...)

Naja, unsere Erwartungen an dieses Festival wurden enttäuscht, wir packen noch Pizza vom Dönermann ein und fahren in unsere Unterkunft. Wenigstens dort gucken wir noch zwei richtig gute Kurzfilme an (»Vier Jahreszeiten: Frühling« und »Vier Jahreszeiten: Herbst« der Filmbutzes), gehen ins Bett und treten am nächsten Morgen die durch Staus endlos lange Heimfahrt an.

Der Abschluß des Tages ist dann ein Essenfassen im E-Werk (nachdem der heißbegehrte Schweinshaxn-Schmaus wegen überraschendem Geschlossenseins vom Gambrinus flachfällt), bei dem Claus, Ernst und Fred fehlen, dafür aber Claudi zu uns stößt. Wenigstens dieser Abend war es wert.

Zumal ich beim Reinstolpern glatt den Dendemann umgestolpert hab. Na, wenigstens eine Berühmtheit. Wäre ich ein wenig engagierter, produktiver und mitdenkender, dann hätte ich schon längst eine kleine Filmcrew zusammen und dem Dende für sein nächstes Musikvideo meine Visitenkarte in seine tiefsitzende Hosentasche gesteckt. Stattdessen gab's heißen Kakao.
Ist doch auch was.

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